feel-ok.ch erklärt dir, was häusliche Gewalt zwischen Eltern ist, wie es dazu kommt und warum du keine Schuld daran trägst. Bist du (oder ein*e Freund*in) betroffen, helfen dir unsere Empfehlungen und vertrauenswürdigen Adressen, die Gewaltspirale zu verlassen.

Inhalte
Diese Artikel interessieren unsere Leser*innen: «Die Gewaltspirale: Die Hoffnung stirbt zuletzt», «Wenn zu Hause Gewalt ausbricht…», «Zu Hause fühle ich mich wegen meinen Eltern unwohl», «Warum wehrt sich meine Mutter / mein Vater nicht?», «Was passiert, wenn ich eine Beratungsstelle kontaktiere?», «Wer kann mir helfen?» und «Sofortmassnahmen im Notfall».

Interaktiv
In einfühlsamen Filmen erzählen betroffene Kinder, Jugendliche und Erwachsene über die erlebte Gewalt. Zu diesem Thema stellen Jugendliche in Check Out Fragen, die von anderen jungen Menschen beantwortet werden.

Themenübersicht

Wenn es zwischen deinen Eltern und/oder gegenüber dir zu Gewalt gekommen ist, ist es wichtig, dass du mit jemandem darüber sprichst.

Tel 147 – Notrufnummer und Beratungstelefon für Jugendliche
An diese Nummer kannst du dich direkt wenden, wenn du nicht weiterweisst und mit jemandem reden möchtest (auf DE, FR oder IT). Vertraulich, kostenlos und telefonisch 24 Stunden erreichbar.

Beratungsstelle kokon für Kinder und Jugendliche, Zürich
Die Beratungsstelle kokon bietet Hilfe für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (von 0 bis 25 Jahren) in Not an – niederschwellig, schnell und unkompliziert.

Gesprächsgruppe CAMELEON für Kinder und Jugendliche, Region Biel/Bienne
Die Gesprächsgruppe CAMELEON ist ein kostenloses Angebot von Solidarité femmes Region Biel. Es richtet sich an Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 14 Jahren, die von häuslicher Gewalt betroffen sind.

Beratungsangebot der Fachstelle OKey, Winterthur
OKey ist ein Opferhilfeberatungsangebot für Kleinkinder, Kinder und Jugendliche, die von Gewalt von einem Elternteil gegenüber dem anderen betroffen sind (inkl. einer Krisenwohngruppe)

Fachteam gegen häusliche Gewalt Schulpsychologischer Dienst Aargau
Das Fachteam gegen häusliche Gewalt ist ein unentgeltliches Angebot des Schulpsychologischen Dienstes des Kantons Aargau, wenn Kinder und Jugendliche Hilfe als Folge von Gewalt brauchen.

«Schlupfhuus» «Mädchenhaus»
Je nachdem, in welcher Region du wohnst, gibt es ein «Schlupfhuus», ein «Mädchenhaus» oder eine andere geeignete vorläufige Wohnmöglichkeit für Jugendliche in schwierigen Situationen.

Nützliche Adressen

Zwischen meinen Eltern gibt’s Gewalt
Inhalt

Zu Hause fühle ich mich wegen meinen Eltern oder andern Familienmitgliedern unsicher oder unwohl

Immer wieder beobachtest du, wie sich deine Eltern heftig streiten, sich anschreien, beleidigen und vielleicht auch schlagen. Du fühlst dich dabei sehr unwohl. Wenn dies auf dich zutrifft, dann gehörst du zu den 10% bis 30% aller Jugendlichen in der Schweiz, die ähnliche Schwierigkeiten erleben. Dieser Form der Gewalt sagt man häusliche Gewalt.

Konflikte und Streit kommen ab und zu in fast jeder vor:

Du selber weisst am besten, wer alles zu DEINER Familie gehört und an wen du denkst, wenn von «Eltern» gesprochen wird. Das können deine leiblichen Eltern sein, es kann aber auch sein, dass du den Freund oder die Freundin deiner Mutter oder deines Vaters als «Elternteil» bezeichnest und dass dein Grossvater, deine Tante, deine Stiefgeschwister oder ein WG-Mitbewohner zu deiner Familie gehört.

Nicht jede Meinungsverschiedenheit kann aufgelöst werden. Nicht für jeden Konflikt findet sich sofort eine Lösung. Manchmal braucht es etwas Geduld, bis wieder Frieden einkehrt.

Wenn beim Streiten in einer Familie gewisse Grenzen überschritten und der Körper oder die Seele der Erwachsenen oder Kinder dadurch verletzt werden, ist das nicht mehr nur ein Konflikt, sondern es handelt sich

«Häusliche Gewalt» ist Gewalt zwischen Menschen, die zu einer Familie gehören oder die unter einem Dach zusammenleben. Am häufigsten kommt häusliche Gewalt zwischen zwei Erwachsenen vor, die in einer Partnerschaft leben (hetero- oder homosexuell). Wenn der Partner * die Partnerin Kinder hat, sind auch diese von der Gewalt betroffen. Auch bei Gewalt zwischen ehemaligen Partnern, die nicht (mehr) zusammenwohnen, spricht man von häuslicher Gewalt.

Der zentrale Punkt ist, dass die Konflikte nicht fair und gleichberechtigt ausgetragen werden, sondern dass körperliche oder seelische Gewalt und Demütigung eingesetzt wird, um den anderen zu kontrollieren und Macht auszuüben. Jede Gewalt – so auch häusliche Gewalt - kann sich in verschiedenen Formen zeigen. Meistens werden körperliche, seelische und sexuelle Gewaltformen unterschieden.

Häusliche Gewalt in der Familie kann dauernd stattfinden oder in Abständen immer wieder passieren und ganz unterschiedliche Formen annehmen: Beleidigen und erniedrigen, Isolieren des Partners, Kontakte nach aussen verhindern, Geld zurückhalten, die Einteilung des Geldes kontrollieren, körperliche Gewalt androhen und ausüben, sexuelle Gewalt, einschüchtern, Drohung mit Selbstmord, Drohung, den Kindern etwas anzutun, verfolgen und auflauern (Stalking).

Viele der aufgezählten Gewaltformen sind nicht nur gemein, nicht ok und sehr belastend, sondern auch gesetzlich verboten und stellen eine Straftat dar.

Ist in meiner Familie alles in Ordnung?

Vielleicht hast du manchmal ein ungutes Gefühl und denkst, dass in deiner Familie nicht alles so ist, wie es sein sollte.

Die folgenden acht Fragen können dir helfen, zu benennen, wie es deiner Familie geht.

Hast du mitgekriegt, dass ein Elternteil den anderen schlägt, schubst, tritt, würgt, einsperrt oder mit Gegenständen bewirft?

Schlagen, treten, schubsen, würgen und mit Gegenständen bewerfen sind Formen körperlicher Gewalt. Körperliche Gewalt ist nie ok und deshalb auch gesetzlich verboten. Es gibt keinen Grund der Welt, der solche körperliche Gewalt rechtfertigen könnte. Es tut weh, verletzt, macht Angst und traurig. Und sollte umgehend aufhören.

Leider sehen Menschen, die gewalttätig sind, oft nicht ein, dass sie sofort damit aufhören müssen und sich helfen lassen sollten, ihre Wut und Aggressionen in den Griff zu bekommen. Dann ist es richtig und gut, wenn du dir Hilfe suchst. Du hast ein Recht darauf, dich in deiner Familie sicher und wohl zu fühlen und keine Angst vor Gewalt haben zu müssen.


Wird ein Elternteil durch den anderen dauernd kritisiert, abgewertet, lächerlich gemacht oder beleidigt?

Konflikte und Auseinandersetzungen sind manchmal notwendig, um Dinge miteinander zu klären. Im Streit kann es heftig zu- und hergehen. Dann fliegen die Fetzen, und es fällt auch mal ein Wort zu viel oder ein zu hartes, das einem später richtig leidtut.

Wenn aber jemand dauernd beleidigt und klein gemacht wird, ist das kein Konflikt und kein gleichberechtigter Streit mehr, sondern eine Form der seelischen Gewalt.

Wenn du dir nicht sicher bist, ob in deiner Familie nur mal die Fetzen fliegen oder ob es sich schon um seelische Gewalt handelt, gibt es Menschen, die dir weiterhelfen können, die Situation richtig einzuschätzen.


Bestimmt ein Elternteil immer alles und zwingt den anderen zu tun, was er oder sie will?

Jemand, der immer Recht haben will, alles bestimmen will, andere kontrolliert und unterdrückt, übt seelische Gewalt aus. Wer seelische Gewalt erleidet, fühlt sich nicht mehr frei und fröhlich, sondern ist bedrückt, bekümmert, hat Angst und vielleicht auch oft Kopfweh oder Bauchweh und verliert die Freude am Leben. In einem solchen Fall braucht man Hilfe.


Verbietet ein Elternteil dem anderen, Freunde zu haben, zu telefonieren oder alleine wegzugehen?

Oder verbietet dein Vater deiner Mutter, Deutsch zu lernen, arbeiten zu gehen und eigenes Geld zu besitzen? Alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen und so auch jede Mutter und jeder Vater brauchen auch ausserhalb der Familie Kontakte. Ohne Freunde und Freundinnen wird man traurig und einsam. 

Kein Familienmitglied hat das Recht, einem anderen zu verbieten, sich Freunde zu suchen und mit denen alleine etwas zu unternehmen. Und niemand hat das Recht, deiner Mutter zu verbieten, die Sprache des Landes zu lernen, in dem ihr lebt oder arbeiten zu gehen, um eigenes Geld zu verdienen. Eltern sollten sich gegenseitig vertrauen und nicht kontrollieren.


Hat die Gewalt zwischen den Eltern trotz Trennung nicht aufgehört? Fragt dich ein Elternteil über den andern aus? Streiten sich deine Eltern wegen dem Sorgerecht oder wegen dem Geld?

Auch zwischen getrennten oder geschiedenen Eltern kann Gewalt vorkommen, auch wenn die Eltern kein Liebespaar (mehr) sind und nicht (mehr) zusammen unter einem Dach leben. Auch diese Form der Gewalt gehört zur «häuslichen Gewalt».

Wenn nach einer Trennung ein Elternteil schlecht über den andern Elternteil spricht oder versucht, von dir Informationen über den andern Elternteil zu erhalten, um ihm dann Vorwürfe zu machen, ist das nicht ok. Wenn Eltern darüber streiten, wer das Sorgerecht für dich haben soll, wer wieviel Geld für dich bezahlen muss und bei wem du wohnen sollst, ist das problematisch.

Wenn es um die Frage geht, wie du mit deinen Eltern nach einer Trennung zusammenlebst, hast du das Recht darauf, dass deine Meinung angehört wird.

Es ist ok, wenn du beide Eltern weiterhin liebst und mit beiden Eltern Kontakt haben willst. Lass dir von niemandem einreden, dass deine Mutter oder dein Vater schlechte Menschen sind, lass aber auch nicht zu, wenn sie dich «zerreissen» wollen.


Fühlst du dich zu Hause unsicher oder unwohl und vielleicht bedroht?

Du hast ein Recht darauf, dich zu Hause wohl und sicher zu fühlen. Die Erwachsenen haben die Verantwortung dafür, dich vor Gefahren zu schützen. Wenn du dich zu Hause unwohl und bedroht fühlst, weil du erleben musst, wie du oder ein anderes Familienmitglied verletzt oder erniedrigt wird, ist es höchste Zeit, Hilfe zu holen.


Hast du vor einem Erwachsenen in der Familie Angst?

Vielleicht hast du Angst, weil du ansehen musst, wie jemand schlecht behandelt wird, oder weil du selber schlecht behandelt wirst. Vielleicht befürchtest du ständig, dass bald wieder etwas Schlimmes passieren könnte oder dass dich eine erwachsene Person da berührt, wo du es nicht willst.

Neben der Angst, dass wieder etwas Schlimmes oder Unangenehmes passieren könnte, schämst du dich vielleicht für das, was zwischen deinen Eltern passiert oder für das, was dir angetan wurde. Sicher willst du auch nicht, dass deine Eltern und deine Familie Probleme kriegen. 

Aber: Wenn du Angst vor jemandem hast, und zu Hause Dinge passieren, die dir Angst machen und dich belasten, hast du das Recht, dass das aufhört! Vertrau dich jemandem an, damit diese schwierige Situation beendet werden kann.


Hat dich jemand in der Familie jemals verletzt? Wirst du geschlagen, beleidigt, zu Sachen gezwungen, die dir weh tun und dich ängstigen?

Keine Form der Gewalt ist ok! Niemals! Wenn es bei dir zu Hause Gewalt gibt, ist es gut, wenn du darüber redest, auch dann, wenn du versprochen hast, niemandem davon zu erzählen. Jede Form der Gewalt muss so schnell wie möglich aufhören, sie ist schädlich für deine Familie und auch für deine ganz persönliche Entwicklung!

Auch wenn vor längerer Zeit etwas Schlimmes passiert ist, macht es Sinn, mit jemanden darüber zu reden. So kann die alte Verletzung besser heilen und du kannst lernen, wie du dich zukünftig in bedrohlichen Situationen schützen kannst. Hilfe findest du hier.


Wenn du mindestens eine der obigen Fragen mit «ja» beantwortest, dann ist es denkbar, dass etwas bei dir zu Hause nicht gut läuft. Vielleicht handelt es sich sogar um «Häusliche Gewalt».

Häusliche Gewalt ist leider nicht selten

Leider ist es gar nicht so selten, dass Kinder und Jugendliche zu Hause Gewalt zwischen ihren Eltern erleben: Die Statistik sagt, dass es in jeder Schulklasse betroffene Kinder oder Jugendliche gibt. Du bist also nicht alleine mit diesem Problem, auch wenn niemand darüber spricht.

Wie erleben andere Menschen häusliche Gewalt ?

In diesem kurzen Trailer sprechen einige Kinder, Jugendliche und Erwachsene über ihre Erfahrungen:

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Wir vertiefen mit dir das Thema «Häusliche Gewalt»

Wir geben dir Anregungen, was du machen kannst, damit sich bei dir zu Hause etwas ändert:

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